Über Kneipp

Heilende Bäder in der eiskalten Donau

Vom tuberkulosekranken Studenten zum „Retter der Menschheit“: Sebastian Kneipp und die Wassertherapie

Die Kommilitonen in Dillingen haben ihm den Spitznamen „Dr. Hydrophilos“ (Wasserfreund) verpasst. Ihnen bleibt nicht verborgen, dass der von einem Tuberkuloseleiden arg mitgenommene Sebastian Kneipp heimlich kurze Bäder in der eiskalten Donau nimmt oder sich in der Waschküche Wassergüsse verabreicht. Allen Spöttern zum Trotz: Der junge Mann, den die Ärzte bereits aufgegeben haben, erlangt dank dieser selbst auferlegten „Rosskur“ seine Gesundheit zurück. Der Grundstein für die Kneipp-Therapie ist gelegt.

Die Anleitung dazu hat er einem antiquarisch erworbenen Büchlein entnommen. Bereits im Jahr 1743 beschrieb ein Doktor namens Johann Sigmund Hahn Kraft und Wirkung des frischen Wassers. Auf diesen Ausführungen baut Kneipp später seine Hydrotherapie auf.

Mit 23 Jahren Gymnasiast

Doch zuerst einmal will der 1821 geborene Weberssohn aus Stephansried bei Ottobeuren unbedingt Priester werden. „Ich habe den Bettelstab nie getragen, aber ich bin hart daran geboren“, beschreibt Kneipp seine ebenso arbeits- wie entbehrungsreiche Kindheit. Der Vater kann für Schule und Studium nicht aufkommen, das Geld dazu muss sich der „Weberbaschtl“ als Knecht selbst verdienen. Mit 23 Jahren schafft er es endlich, in Dillingen ins Gymnasium einzutreten. In München schließt er das Theologiestudium ab.

Mit der Priesterweihe in Augsburg geht am 6. August 1852 sein innigster Wunsch in Erfüllung. Nach Kaplanstellen in Biberbach, Boos bei Memmingen (hier kuriert er mit Heißwasseranwendungen mehrere Cholerakranke) und Augsburg, kommt Sebastian Kneipp am 2. Mai 1855 als Beichtvater der Dominikanerinnen nach Wörishofen. Im bischöflichen Auftrag baut er die darniederliegende Klosterökonomie zu einem Musterbetrieb aus, bringt es als Imker zu internationaler Anerkennung und macht auch mit der erfolgreichen Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche durch Wasseranwendungen beim Vieh von sich reden.

Zugleich entwickelt Kneipp im Wörishofener Kloster seine Gesundheitslehre, die ihm später die Bezeichnung „Retter der Menschheit“ einbringen wird. Aus der Erkenntnis heraus, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden, setzt er nicht nur auf die heilende Kraft des Wassers, sondern verordnet seinen Patienten auch Heilkräuter, Bewegung, ausgewogene Ernährung und innere Ordnung („Vergesst mir die Seele nicht“). Heute noch basiert die ganzheitliche Naturheilkunde auf den fünf Kneipp'schen Säulen Hydrotherapie, Phytotherapie, Ernährungslehre, Bewegungs- und Ordnungstherapie.


Patienten aus aller Welt

Die ersten Kurgäste, die um 1870 in das unterschwäbische Dorf kommen, werden im Badehäuschen des Klosters und später in der Waschküche des Pfarrhofs behandelt. 1887 bringt Sebastian Kneipp, inzwischen Pfarrer der 950-Seelen-Gemeinde Wörishofen, den weltweiten Bestseller „Meine Wasserkur“ heraus. Spätestens da setzt der kometenhafte Aufstieg des schwäbischen Bauerndorfes zum internationalen Kurort ein. Und als der „Wasserdoktor“ den österreichischen Erzherzog Joseph von seinem Ischiasleiden befreit, hält auch der europäische Hochadel Einzug. Ein indischer Maharadscha, ein russischer Prinz, ein amerikanischer Kardinal -  sie alle suchen Hilfe bei Pfarrer Kneipp in Wörishofen. Bei einer Privataudienz in Rom lässt sich auch Papst Leo XIII. von ihm behandeln und ernennt ihn zum pästlichen Geheimkämmerer.

Die reichlich sprudelnden Buchhonorare und Spenden dankbarer Patienten verwendet Sebastian Kneipp, der sich mit diesen Stiftungen noch zu Lebzeiten ein Denkmal setzt, für den Bau von drei Krankenanstalten (heute Sebastianeum, Kneippianum und Kneippsche Kinderheilstätte). Private Investoren folgen seinem Beispiel, viele Kurhotels und Kurheime entstehen. Der Wandel Wörishofens zum aufstrebenden „Weltbad“ endet 1949 mit der Erhebung zur Stadt.